mit Dr. Clarence Pingpoh, Herzchirurg aus Freiburg und Bad Krozingen.
Die Zusammenfassung dient als Orientierung über das gesprochene Wort im Podcast, ersetzt ihn aber nicht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die schriftlichen Antworten sind nicht im Duktus meiner Gäste gehalten. Es zählt nur das gesprochene Wort im Podcast.
0:43 Was ist ein Herzchirurg? Was macht sie/er?
Die Person, die strukturelle Fehler am Herzen reparieren kann. Vereinfacht gesagt wie bei einem Auto mit dem Motor. Wenn der Motor Schäden hat, dann geht man ja in die Werkstatt.
1:30 Was macht die Kardiologie?
Das sind diejenigen, die das Problem am Herzen feststellen. Das ist meist der Erstkontakt der Patienten. Die Kardiologie behandelt die Fehler am Herzen mit Medikamenten. Auf die Analogie des Automotors: Es ist die Person, die mit dem Computer und den Feineinstellungen den Motor schonen und optimieren möchte. Aber das hat seine Grenzen. Dann kommt die Herzchirurgie an die Reihe.
2:45 Wie funktioniert ein Herz, wie ist es aufgebaut?
Einfach gesagt: Es ist Haus mit vier Zimmern, aufgeteilt in zwei Parteien. Diese Zimmer sind mit vier Türen verbunden. Die Türen öffnen nur in einer Richtung. Die beiden Parteien sind mit einem Gang (Schlagadern genannt) verbunden. Es gibt also einen Fluss/Kreislauf in eine Richtung. Diese Türen sind die Herzklappen.
Wie es eben so ist im Haus: Es kann Probleme geben mit den Türen. Sie gehen nicht richtig auf oder zu. Die Gänge sind zu groß, oder zu klein. Dieses Problem lösen wir Herzchirurgen dann.
Im Haus selber gibt es Wasserleitungen, das sind dann die Blutgefäße für das Herz selber. Auch die können natürlich Schaden annehmen, können verstopfen etc.
Und es gibt auch Löcher in den Wänden, das ist typisch bei Kindern, weil das Herz nicht so viel arbeiten muss im Uterus. Und diese Löcher sollten innerhalb der ersten Lebensjahre zuwachsen. Ansonsten vermischt sich sauerstoffarme Blut mit dem sauerstoffreichen Blut und die Pumpleistung ist nicht so hoch. Dann muss man das ggfs chirurgisch lösen.
7:45 Sind die mechanischen Fehler angeboren oder durch schlechte Ernährung verursacht?
Wir unterscheiden immer zwischen angeborenen Fehlern und erworbenen Herzfehler. Die Einengungen, die Verstopfungen sind meist erworben. Die Genetik spielt da auch eine große Rolle, die Wahrscheinlichkeit kann deutlich steigen, wenn man dann nicht aufpasst. Hohe Blutfettwerte, Rauchen, hohe Zuckerwerte, wenig Sport begünstigen Herzfehler. Wenn man das hat, muss man es therapieren, damit das Risiko sinkt.
9:53 Kann man mit Herzfehlern leben?
Ja, durchaus. Die Auswirkungen der Herzfehler steigen dann schleichend. Wir unterscheiden in verschiedenen Stadien und behalten die Patient*innen im Auge. Sodass wir je nach Schwere in die chirurgische Behandlung gehen.
Wenn eine Türe nicht richtig öffnet, heißt das ja nicht, dass man nicht durchgehen kann, aber es erschwert. Sodass das Herz dauerhaft mehr leisten muss um das Blut durchzudrücken, dass kann zu Ermüdungen führen.
11:50 Beispiel einer nicht richtig öffnenden Herzklappe
Man kann die Klappe mit einer „richtigen“ OP operieren. Sprich: Öffnen des Brustkorbes, Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine. Da wird die Klappe herausgeschnitten, dann eine neue eingebaut.
Eine andere Möglichkeit ist mit einem Katheter. Ein langer Draht, an dessen Ende ein Ballon befestigt ist und auf diesem sitzt die neue Herzklappe zusammengefaltet. Mit diesem Draht geht man beispielsweise durch die Schlagadern der Leiste bis zum Herzen zu der Klappe. Positioniert den Ballon genau bei der Klappe. Dann wird der Ballon aufgeblasen. Die „alte“ Türe wird dann an die Wand gepresst und dann wird die neue Tür aufgefaltet und installiert.
Die Auswahl der Methode hat verschiedene Kriterien wie Alter, Gesundheit etc.
15:40 Aus welchem Material sind neue Herzklappen?
Oft sind sie aus Rinderherzbeuteln (Anmerkung: Herzen liegen in Beuteln, sodass sie beim Arbeiten nicht „scheuern“, sie liegen gut „verpackt“ in einem Beutel mit „Schmierflüssigkeit“). Diese Klappen sind für Menschen ab 60 Jahren. Die halten 15-20 Jahre. Danach kann man mit einer Katheter gestützten Methode eine neue Klappe einsetzen.
Für unter 60 jährige Menschen gibt es Kunststoffklappen. Die halten viel länger, aber der Nachteil ist: sie müssen einen Blutverdünner einnehmen. Was für ältere Menschen schwierig ist. Man muss selber Blutwerte checken, Zeitpunkt und ggfs Dosierung vornehmen. Das muss klappen und man muss dazu die nötige „Präsenz“ haben. Auch stürzen ältere Menschen immer wieder, Blutungen und Stürze sind aber mit Blutverdünnern gar nicht gut.
17:50 Wie öffnet man den Brustkorb?
Der Standardzugang zum Herzen wird „mediane Sternotomie“ genannt. Ein mittlerer Schnitt, längs durch das Brustbein. Durch diesen Zugang können wir alles am Herzen operieren. Das Brustbein wird dadurch aufgesägt.
Dann spreizen wir die Brust auf, sodass sie dauerhauft offenliegt während der OP. Dann schneiden wir den Herzbeutel auf. Das Herz liegt in einem Beutel, der schützt das Herz. Der Beutel wird dann seitlich aufgehängt, das Herz hebt sich dann dabei, und dann gehen wir an den rechten Vorhof. Da kommt das sauerstoffarme, „verbrauchte“ Blut an. Sprich der Eingang des Herzen. Da kommt ein Schlauch rein, wir saugen das Blut dann ab. In der Herz-Lungen Maschine wird das Blut dann mit Sauerstoff und Nährstoffen angereichert und in die Hauptschlagader, der Aorta, wieder in den Kreislauf eingeführt.
Wir trennen dann das Herz vom Kreislauf. Wir legen das Herz dann still. Dann kann man in Ruhe reparieren.
Hier ist ein Video einer OP:
20:25 Was ist ein Bypass?
Das ist eine Überbrückung. Beispiel: Im Bad kommt kein Wasser aus dem Hahn. Irgendwo zwischendrinnen ist eine Leitung verstopft. Also legen wir eine neue Leitung, direkt vom Hauptwasserzugang des Hauses ins Bad. Da liegen die Rohre dann „kreuz und quer“, aber es gibt Wasser im Bad.
Wir nutzen dazu Schlagadern von anderen Stellen im Körper als Ersatzleitung.
21:35 Loch im Herzen – wie repariert man das?
Das Material muss wasserdicht sein. Weil man die Kreisläufe voneinander trennen möchte. Im rechten Vorhof kommt das verbrauchte Blut an, man möchte nicht, dass das frische, mit Sauerstoff angereicherte Blut aus der Lunge mit dem sauerstoffarmen Blut vermischt wird.
Als Material kommt momentan „Kunst Perikard“ in Frage, das ist eine „Plastikfolie“ oder das reichlich vorhandene Material: Rinderherzbeutel. Das wird aufbereitet. Alle fremden Proteine werden entfernt, sodass nur noch Bindegewebe übrig bleibt. Das Immunsystem des Körpers reagiert darauf kaum. Aber man weiß, dass es belastbar ist und funktioniert.
Man könnte auch einen Teil des eigenen Herzbeutels nehmen, aber das heißt für uns in der Operation, dass wir den Beutel aufbereiten müssen. Und wir versuchen die Menschen so kurz es geht in der OP zu haben, daher ist das ein Punkt der dagegen spricht.
24:05 Wie lange geht eine Herzoperation?
Grob gesagt: Zwischen zwei und acht Stunden. Die Zeit an der Herz-Lungen Maschine möchte man reduzieren. Denn der Körper reagiert stark darauf. Die Entzündungswerte gehen deutlich hoch.
25:00 Was repariert Ihr an der Aorta?
Die Aorta kann man z.B. mit einem vorgefertigten Rohr aus einem speziellen Material (das Material erinnert an Gore-Tex®) reparieren. Die Hauptschlagader wird durchtrennt, die kaputte Stelle rausgeschnitten, dann das Rohr eingebaut und „fertig“.
Man kann aber auch aus Rinderherzbeuteln ein Rohr basteln.
Gibt aber auch noch andere Methoden.
26:25 Ist es die Aufgabe der Herzchirurgie die Aorta, Hauptschlagader zu reparieren?
Meistens arbeiten wir mit der Gefäßchirurgie zusammen. Dadurch, dass die Hauptschlagader so viel mit dem Herzen zu tun hat, sind wir oft dabei. Weil der Kreislauf des Blutes geht ja weiter und da muss man mit der Herz-Lungen-Maschine diesen Kreislauf beeinflussen und die kranke Stelle überspringen/überbrücken.
Unsere Aufgabe sind alle herznahen Gefäße zu reparieren.
28:00 Wie groß ist die Aorta und wie viel Blut fließt da durch?
2-3cm Durchmesser hat die Hauptschlagader bei einem gesunden Menschen. Die Pumpleistung des Herzen bei einem gesunden Herzen sollte nicht unter vier Liter pro Minute liegen.
Wenn man also eine Schlagader (egal wo, ob Handgelenk, Leiste, Knöchel) aufschneidet, da kommt das Blut vom Herzen und mit Druck, dann würde man innerhalb weniger Minuten ausbluten.
Bei der Hauptschlagader (Aorta) geht das nur Sekunden, da fließt derart viel Blut durch. Daher haben wir bei Menschen mit Schäden/Erkrankungen an der Aorta immer große Sorgen. Die darf nämlich nicht aufplatzen, denn da kann der Notarzt nichts mehr machen. Bei einem kleinen Riss, kann es passieren, dass das Blut in „geringem“ Maße herausfließt und zwischen Innenwand und Außenwand der Aorta sich sammelt. Das tut höllisch weh und wenn die Notärzte das bemerken, bereiten wir direkt den OP-Saal vor, sodass direkt nach Ankunft operiert werden kann.
Venen funktionieren über ein Niederdrucksystem, sodass da weniger rausflösse.
32:14 Was ist ein Stent?
Das ist wie bei der Herzklappe mit dem Katheter. Also ein Draht mit einem Ballon am Ende und auf dem Ballon sitzt ein Drahtgerüst, welches an die fragliche Stelle geführt wird und von innen dann nach außen gedrückt wird, sodass die z.B. verengte Stelle gestützt und geweitet wird. Dieser Stent hat auch oft noch ein „wasserdichtes“ Gewebe, sodass Risse abgedeckt und damit verschlossen werden können.
33:12 Was ist schwieriger: Herz reparieren oder austauschen?
Austauschen ist „einfach“. Die zuführenden und abführenden Kanäle werden abgeklemmt und dann wieder vernäht. Mit dem frischen Blut, dass danach wieder durch das Herz fließt, fängt es selbständig an zu schlagen.
Die Reparatur ist deutlich schwieriger.
34:10 Wie bekommt man es hin, dass das Herz nicht mehr schlägt?
Man kann es mit einem elektronischen Signal in einen Schockkrampf zu versetzen.
Oder man lässt eine bestimmte Lösung durch das Herz fließen. Mit Kalium, Nährstoffen und Puffersubstanzen. Das entspannt das Herz und das Herz ist dann blutfrei.
Früher stand man unter Zeitdruck, arbeitete unter dem schlagenden Herzen (auch das gibt es heute noch, wenn nicht anders möglich, weil beispielsweise die Zugänge durch vorherige Operationen schon sehr in Mitleidenschaft gezogen worden sind oder bei kleineren Eingriffen).
Über Kälte geht es auch. Eiswürfel kann man nicht in den Brustbeutel legen, weil das einen Kältebrand verursacht, aber man gibt kaltes Wasser, ca. 4 Grad kalt, in den Herzbeutel, und dadurch bekommt man das Herz auch still. Das Herz krampft dann und ist still.
Bei einem Herzinfarkt im Winter ist die Kälte gesundheitlich günstig, im Vergleich zu warmen Sommern. Das schont das Herz, das Gehirn und andere Organe.
Ganz früher, als man das Herz noch nicht richtig still legen konnte, wurden die Patienten in einem Kühlbecken richtig gekühlt. Und musste schnell handeln. Wir benutzen das bis heute, den Effekt, aber nicht mehr so stark wie früher. So 30-32 Grad Körpertemperatur.
39:01 Gibt es Kunstherzen oder externe Herz-Lungen-Maschine?
Diese Maschinen sind unpraktikabel und wir machen das nur um Zeit zu gewinnen. Um Entscheidungen mit der Familie zu treffen, das Herz etwas Schonung zu geben oder um eine Herztransplantation abzuwarten.
Es gibt die Möglichkeit eines „Kunstherzens“, wobei gesagt werden muss: Da bleibt das Herz im Körper, es ist bloß ein Unterstützungssystem. Also kein vollständiges Herz. Auch hiermit gewinnt man im Endeffekt nur Zeit, es keine dauerhafte Lösung, aber auf Grund der geringen Spenderherzen müssen die Unterstützungssysteme immer länger halten. Oft hält es 2-5 Jahre.
Es ist quasi eine Pumpunterstützung mit einer kleinen Pumpe. Beispiel: Das Blut kommt frisch von der Lunge und muss nun mit Druck in den Körper über die Aorta. Aber das Herz schafft das nicht mehr gut genug. Da hilft da Kunstherz und überspringt die linke Herzkammer und drückt das Blut in die Aorta.
Die rechte Herzkammer muss nicht so viel arbeiten, weil das Blut ja nur in die Lunge gepumpt werden muss, das ist weniger Arbeit. Daher ist das weniger oft ein Problem. Das heißt, die rechte Herzkammer arbeitet normal weiter und pumpt das Blut in die Lunge, bloß die linke Herzkammer braucht Unterstützung. Es gibt seltene Fälle wo beide Seiten Hilfe brauchen.
43:40 Unter welchen Umständen bekommt man ein neues Herz?
Menschen die ein neues Herz brauchen sind meist bereits länger in Behandlung. Diese Menschen bleiben solange es geht in medikamentöser Behandlung. Erst wenn es ihnen so schlecht geht, dass sie nicht außerhalb des Krankenhauses leben können, kommen sie in Frage für eine Transplantation.
Es gibt bestimmte Tests die die Pumpleistung des Herzens bewerten.
Es gibt dann Ausschlusskriterien und Punkte, die eine Transplantation in Frage stellen:
- Ist die Lunge fit genug für ein neues Herz
- Hat man Depressionen oder Krebs?
- Ist man zu alt?
- etc
Das Umfeld des Patienten wird auch angeschaut, nur mit einem guten sozialen Umfeld kann das klappen.
Erst wenn alles stimmt, wird man auf die Liste gesetzt.
Das Kunstherz ist immer der Joker. Aber auch nicht ungefährlich, weil man dann auf der Prioritätenliste runterrutscht. Gleichzeitig ist es aber so, dass man ohne Kunstherz vielleicht vorher stirbt, weil es kein Spenderherz rechtzeitig gibt. Schwierige Abwägung.
Es dauert meist bis zu 8 Monaten bis ein Herz verfügbar ist.
47:25 Wie wird die Vergabe von Spenderherzen organisiert?
Es gibt eine zentrale Vergabestelle „Eurotransplant“ für Europa. Die die Daten von allen Bedürftigen aufgenommen haben.
Wenn jemand einen Hirntod stirbt und die Person ein Spender*in ist, dann wird das gemeldet. Es wird übermittelt wie groß die Person ist, welche Anti-Körper, wie groß das Herz ist etc.
Wenn alles stimmt, wird dann das Krankenhaus in dem Du liegst angerufen. Dann wirst Du informiert.
48:32 Wie läuft eine Herztransplantation ab?
Es macht sich dann sogleich ein Ärzte-Team mit dem Flugzeug auf den Weg um das neue Herz anzuschauen. Sie untersuchen das noch Mal. Es gibt immer eine Person die alles koordiniert. Wenn alles gut ist, wird die Operation des Empfängers vorbereitet.
Das Team, aus Deinem Krankenhaus wird dann das Herz entnehmen. Es gibt mittlerweile ein Gerät, welches das Herz während des Transports am Schlagen hält (was schonender sein soll, der GKV-Spitzenverband schreibt dazu: „Der Nutzen ist nicht belegt.“ Soll in Versuchsstudien überprüft werden. ) oder eben mit einer Kaliumlösung, welche dauernd verabreicht werden muss. In der Regel versucht man, dass dass zwischen Entnahme und Einbau nicht länger als eine Stunde vergeht.
Gleichzeitig gibt es ein Team, welches Dein Herz herausholen wird. Das Herz wird aber erst entfernt, wenn das neue Herz in der Klinik angekommen ist. Die koordinierende Person überprüft alles.
52:55 Ich sterbe bei einem Autounfall, bin ich dann Organspender?
Dein Herz kommt nicht in Frage, weil Dein Kreislauf nicht mehr funktioniert und das Blut gerinnt. Ein*e Spender*in muss hirntot sein, mit einem funktionierenden Kreislauf.
53:41 Was heißt hirntot?
Die Person kann sich nicht äußern, nichts wahrnehmen. Erfahrene Neurologen überprüfen das. Doppelt und unabhängig voneinander. Und ohne, dass das Ärzteteam des Empfängers damit zu tun hat.
Alle Reaktionen, auch Schmerzreaktionen, Reflexe funktionieren nicht mehr. Adrenalin steigt nicht, bei dem Versuch Schmerzen zuzufügen. Etc.
Der Hirntot ist nicht rückgängig machbar. (Anmerkung von achdeswegen: Mehr dazu auch hier https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/wie-sicher-ist-die-hirntoddiagnose/ )
55:32 Wie stirbt man einen Hirntod?
Nur im Krankenhaus. Also wenn man auf der Intensivstation liegt und dann Lungenprobleme, Schlaganfall hat oder, oder. Dadurch, dass die Geräte den Kreislauf am Leben halten, stirbt man nur im Krankenhaus eines Hirntodes.
56:02 Wie wird man Organspender?
Über einen Organspenderausweis. Es ist wichtig, dass jede*r darüber spricht, denn die Verwandten werden gefragt und an ihnen liegt es auch ein Votum abzugeben. Und hier für die Angehörigen Klarheit zu schaffen, zu Lebzeiten, ist wichtig.
56:35 Wie wird man Herzchirurg*in?
Man studiert Medizin. Am Ende des Studiums muss man sagen, welche Weiterbildung machen möchte. Quasi eine Ausbildung. Die „Weiterbildung“ geht rund 6 Jahre, 2 Jahre davon sind von allgemeiner Chirugie geprägt. Man lernt aber nie aus. Die 6 Jahre sind sind nur der Anfang. Die Facharztreife dauert rund 8 Jahre.
Zwischen erstes Mal in den Hörsaal gehen und eine Herzklappe austauschen, vergehen schon Mal 10-14 Jahre. Mit diesem langen „Leidensweg“ muss man klar kommen.
Es ist aber nicht nur das Handwerkliche, auch der Druck mit dem man leben muss. Den Ängste der Patienten begegnen. Der Umgang mit Verlusten, wenn jemand stirbt. Man muss mit diesem Gefühl leben und auch der Familie des Patienten sprechen.
Wir dürfen keine Fehler machen, denn das Herz verzeiht wenig.
Das Feld der Herzchirurgie ist sehr von Wettbewerb und Ellenbogen geprägt. Damit muss man auch klarkommen. Gleichzeitig heißt es bei uns aber auch: „Wer schnell gehen will, geht alleine. Wer weit gehen will, geht zusammen.“ Wir müssen zusammen halten und uns stützen, denn Schwächephasen haben wir alle und es ist für Außenstehende nicht immer nachzuvollziehen, wie es uns geht. Was wir durchmachen, da ist man auf Kolleg*innen mit ähnlichen Erfahrungen angewiesen.
1:05:33 Was ist noch Zukunftsmusik? Was fehlt noch?
Ein vollständiges Kunstherz, welches komplett ausgetauscht wird. Das alte raus, eine Maschine rein. Das ist noch Zukunft. Das würde die Problematik mit den fehlenden Spenderherzen lösen können und gleichzeitig die Problematik mit der Abwehr des Immunsystemes bei Spenderherzen.
Das neue Herz eines anderen Menschen wird ja dauerhaft angegriffen und dazu fährt man mit Medikamenten das Immunsystem sehr runter. Was gefährlich ist und was gleichzeitig aber nicht zu 100% funktioniert, denn das Spenderherz hält in der Regel ja nur 15-20 Jahre.
Zukunftsmusik ist auch, alle Eingriffe ohne Herz-Lungen-Maschine zu machen.
Ein weiteres Thema ist: Empathie. Wir werkeln da stundenlang am Patienten und schaffen es nicht, den Patienten verständlich zu erklären. Wir machen uns Gedanken, aber schaffen es teilweise nicht, den Patienten ein Mal gesehen zu haben bei Bewusstsein. Das muss besser werden, es geht schließlich auch ums Herz. Das hat zwar bisher auch organisatorische Gründe in einer Klinik, aber das kann man verbessern.
Heilung geht nur über Vertrauen. Es geht nicht nur um die Herzklappe, sondern auch um den Menschen.
Clarence, Danke für das Gespräch. Bei weiteren Fragen: Schreibt uns: fionn@achdeswegen.de
Das Gespräch wurde aufgenommen am 22. Juni 2020.