mit Diana Doko, 1. Vorsitzende des Vereins Freunde fürs Leben e.V. der es sich zur Aufgabe gemacht hat, über Depressionen und Suizid aufzuklären und zu sprechen.
Wenn diese Sendung Dich sehr berührt und Du Hilfe brauchst, dann scheue nicht zurück und wende Dich an Menschen die Dir helfen können. Es gibt die Möglichkeit anonym mit Menschen darüber zu sprechen oder zu telefonieren und in Ruhe weiteres Vorgehen zu überlegen. Nutze das ruhig. —>Hier finden sich mehrere Möglichkeiten. Einfach auf den Link klicken. <—
Die Zusammenfassung dient als Orientierung über das gesprochene Wort im Podcast, ersetzt ihn aber nicht und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die schriftlichen Antworten sind nicht im Duktus meiner Gäste gehalten. Es zählt nur das gesprochene Wort im Podcast.
Was ist eine Depression? 1:30
Depression ist eine psychische Erkrankung die sich auf dein körperliches und seelisches Wohlbefinden auswirken kann. Wichtig: Eine Depression ist eine Erkrankung und keine schlechte Laune und braucht daher professionelle Hilfe.
Bei z.B. Jugendlichen ist es oft auch schwierig zu sagen: Ist das eine schlechte Laune oder eine Depression? Da muss man vorsichtig sein. Man kann eine Depression an Symptomen erkennen. Depressionen sind heilbar und behandelbar.
Geht es depressiven Menschen immer schlecht? 2:10
Nein, es gibt Menschen die haben nur ein Mal im Leben eine Depression, es gibt Menschen die haben depressive Phasen und nicht immer merken es die Betroffenen. Nein, depressiven Menschen geht es nicht immer schlecht.
Können Babys oder kleine Kinder schon eine Depression haben? 3:15
Ja, selbst Säuglinge und junge Menschen können eine Depression entwickeln. Im Podcast Kopfsalat von Freunde fürs Leben gibt es eine Folge mit genau diesem Thema und einem Therapeuten. Bei Jugendlichen ist Suizid die zweithäufigste Todesursache. Es ist also in der Tat ein relevantes Thema.
Gibt es einen Bluttest für Depression? 4:20
Nein, anhand eines Bluttestes kann man keine Depression erkennen. Anhand von Hauptsymptomen kann man die Depression erkennen. Beispielsweise extreme Freudlosigkeit, Interessenslosigkeit, sehr schlechter Schlaf, sehr viel Schlafbedarf. Wenn eines oder mehrere dieser Symptome über zwei Wochen jeden Tag auftritt, spricht viel für eine Depression. Dann steht ein Termin beim Hausarzt*in an und die überweisen ggfs an Psychotherapeuten (die haben auch eine Liste an Therapeuten zur Empfehlung). Die Therapie kann dann beginnen. Bei sehr schweren Depressionen wird in Absprache mit den Patient*innen auch mit Medikamenten geholfen (die übrigens nicht abhängig machen).
Was ist, wenn die Partner*in sich die Symptome einer Depression nicht eingesteht. 6:46
Es ist traurig, dass in unserer (deutschen) Gesellschaft es als verrückt gilt, wenn man sich professionelle Hilfe in Form einer Therapie holt. In den USA ist es das Gegenteil, dort ist es schick. In einer Partnerschaft ist es echt schwierig, wenn der Partner*in sich um die Aufgabe drückt und es von sich wegschiebt. Aber da gibt es auch Hilfe, wenn man nach Appellen an den Partner nicht durchdringt: „Ich mache mir Sorgen, weil ich sehe, dass Du unseren Hund, den Du so liebst uninteressant findest und Dich nicht mehr freust!“, dann kann man sich Hilfe holen um Hilfe zu leisten. Es ist wichtig, dass das Umfeld geschult ist eine Depression zu erkennen.
Und man sollte schnell sich Hilfe holen. Wenn jemand einen gebrochenen Arm hat, wartet man ja auch nicht ewig bis man in die Klinik geht.
Kann ich mich selber therapieren? Kann ich Freunde therapieren? 9:55
Grundsätzlich ist es so, dass der Auslöser einer Depression sooo unterschiedlich ist. Es gibt Leute die belasten Situationen total und die gleiche Situation berührt andere gar nicht. Ein Student von mir bspw. musste mit ansehen, wie sich ein Mensch vor eine S-Bahn warf. Andere auf dem Bahnsteig hat das eventuell nur in dem Moment geschockt, aber die haben es nicht lange mit sich herumgetragen und andere haben daran lange zu knabbern gehabt.
Wenn ich mich selber erstmal versorgen will, dann ist es gut, wenn ich in mich hineinhöre und mich frage, wie es mir geht. Was kann ich mir Gutes tun? Spaziergang? Meditation? Tee?
Wenn ich aber merke, dass mir all das nicht mehr hilft, wenn das mehrere Wochen geht, dann wird es Zeit für professionelle Hilfe. Der Hausarzt z.B. oder Onlineberatung, die die Zeit überbrücken bis zu einem Platz
Wichtig ist es, dass man sich um sich selber kümmert. Beispielsweise nach zwei Stunden beim Arbeiten bewegen, Wasser trinken, frische Luft etc.
Wie lange kann ich mich selber therapieren? Können Gespräche in der Familie nicht helfen? 14:20
Was macht denn ein Therapeut*in? Worum geht es? Was gibt es für verschiedene Erkrankungen? Das ist nicht nur simples Reden. Da geht es auch darum, herauszufinden, welche Erkrankung man hat und die richtigen Stellschrauben zu finden. Wenn ich den Arm gebrochen habe, warte ich doch auch nicht ewig und denke: Das wird schon. Der Bruch kann ja glatt sein, rissig oder oder, da möchte man professionelle Hilfe bekommen. Abgesehen davon, dass es schwieriger wird mit dem Heilungsprozess und den ganzen Schmerzen während man wartet. Man muss sich nicht schämen und ist gut, wenn man Hilfe holt.
Man kann sich ja auch anonym Hilfe holen. Es gibt Beratungsstellen, gerade auch für Jugendliche, die sagen nichts den Eltern, die verlangen nicht mal eine Krankenkassenkarte.
Depression ist eine heilbare Krankheit, die professioneller Hilfe Bedarf. Für eine Lungenentzündung schäme ich mich ja auch nicht und weiß, dass sie unbehandelt tödlich enden kann. Daher: Holt Euch Hilfe.
Bekommen meine Arbeitskolleg*innen mit, dass ich in Psychotherapie bin und eine Depression habe? 18:05
Der Psychotherapeut macht nix, wo Du dagegen bist. Du wirst nicht unfreiwillig eingewiesen und festgehalten. Du bekommst auch nicht unfreiwillig Medikamente. Klar, haben viele Angst, dass man festgehalten wird und ans Bett gefesselt wird, weil die Leute sich nicht so gut auskennen. Der Witz ist ja, dass es überhaupt nicht so ist. Es passiert alles sehr vertraulich und in enger Zusammenarbeit und nicht gegen den Patienten.
Auf unserem YouTube Kanal kann man sich auch Mal den Besuch einer stationären Klinik anschauen. (Selbst der Besuch der Klinik ist freiwillig. Nur bei ganz akuter Gefahr bzgl. eines Suizides oder sehr starker Krankheit ist eine unfreiwillige Unterbringung denkbar, aber da ist man sowieso schon sehr hilfebedürftig und informiert sich nicht hier im Podcast 😉 )
Auf der Arbeit kommt es nur dann zur Sprache, wenn man es selber ins Gespräch bringt. Die Schweigepflicht gilt.
Man kann mit Depression zur Arbeit gehen und muss es niemand erzählen. Beispiel: Robert Enke war ein international super guter Torwart beim FC Barcelona.
Bekommt man in der Psychotherapie Medikamente? 21:09
In Absprache mit Ärzten und den Patient*innen wird dann geschaut, ob eine medikamentöse Behandlung Sinn ergibt. Man bekommt keine „Zwangsspritzen“.
Beispielsweise: Thorsten Sträter, Comedian, erzählt von seiner Depression auf der Bühne und den Medikamenten die er von Ärzten bekam: Ich wusste gar nicht, dass man glücklich aufwachen kann am morgen.
Antidepressiva machen nicht abhängig. Die sind leicht dosierbar und werden nur dann eingesetzt, wenn nötig. Dann setzt man die wieder ab.
Antidepressiva reparieren chemische, biologische Vorgänge die nicht mehr gut funktionieren. Die Nebenwirkungen halten sich in Grenzen und man kann verschiedene Medis ausprobieren.
Kann man leistungsfähig sein und z.B. weiterhin Führungsfunktion wahrnehmen? 24:45
Es gibt depressive Phasen in denen man schlaff und antriebslos sein kann, da ist Leistungsfähigkeit schwierig. Aber natürlich gibt es sehr leistungsfähige Depressive. Man kann durchaus arbeiten gehen. Das muss man selber herausfinden für sich.
Kann man eine Depression vorausahnen und rechzeitig aufhalten? 24:45
Ja, eine Freundin spürt, seitdem sie es in der Therapie gelernt hat, wenn eine depressive Phase sich nähert. Dann nimmt sie sich die drei bis fünf Tage frei von der Arbeit und nimmt sich zurück. Dann trifft sie Freunde, Familie und tut sich Gutes und kann damit oft die Phasen abwenden und stürzt nicht in ein tiefes Loch von mehreren Wochen und Monaten.
Wie kann man Depressionen vorbeugen? Wie kann ich verhinden, dass ich depressiv werde? 27:05
Mit sich selber auseinandersetzen. Sich nicht überfordern, nicht stressen, also dauerhaft. Frage Dich selber, wie es Dir geht. Fühle nach was Dich bewegt. Rede und denke über Deine Gefühle. Tue Dir Gutes.
Beispiel: Auf dem Schulhof kapselt sich ein Freund komischerweise dauernd ab und spielt nicht mehr mit. Dann ist es spannend herauszufinden, woran das liegt und nicht automatisch davon auszugehen, dass da eine Arroganz dahinter liegt. Das kann an einer Depression liegen.
Tief ein- und ausatmen und nicht zu sehr stressen zu lassen: Bekomme ich den Job? Bekomme ich dies, bekomme ich das?
Man ist nicht verrückt, wenn man sich professionelle Hilfe holt.
Fragt im Bekannten-, Freundes- und Familienkreis wie es einander geht. Und schult Euch über die Symptome von Depressionen.
Mehr als 10’000 Menschen sterben jährlich durch Suizid, das sind mehr als Verkehrsunfälle, Morde und Aids zusammen.
Wenn man über alles redet, provoziert man dann nicht eine Depression? 33:10
Dinge totzuschweigen bringt gar nichts, weil sie kommen immer hoch. Es ist gut, über die eigenen Gefühle zu reden.
Und es heißt ja nicht, dass es uns jeden Tag bombig gehen muss und es heißt ja nicht, dass man sich nicht auch was Gutes tun kann mit Leuten die einem gut tun. Wenn ich merke, dass tut mir gut, dass ich nicht darüber rede vs. dass ich darüber spreche, dann mache das, was Dir gut tut.
Etwas in sich hineinzufressen ist nicht gut.
Ist Sich-Gutes-Tun nur eine Ausrede statt Vorsorge? 38:10
Weiß ich nicht, dass musst Du Dich jedes Mal selber fragen und gut in Dich hören.
Beispielsweise: Ich bin Mutter, selbständige PR-Agentur-Chefin, die nach der Geburt meines Sohnes entschied nicht mehr 14 Stunden zu arbeiten. Wenn ich hadern würde mit meiner Entscheidung, dann kann ich das ja wieder ändern. Aber solange ich dahinter stehe, passt das doch.
Ist Depression ansteckend? 40:12
Nein, eine Depression ist nicht ansteckend. Die niedergeschlagene Stimmung von depressiven Menschen kann aber auf die Stimmung anderer Menschen sich niederschlagen. Da ist es wichtig, dass man sich da abgrenzt. Menschen die in engem Kontakt zu Menschen mit Depression sind, haben ein erhöhtes Risiko an Depression zu erkranken, was aber kein Automatismus ist.
Man muss dann Grenzen ziehen. Man muss sagen, wenn man überfordert ist: „Ich kann Dir hier nicht weiterhelfen, da musst Du Dir professionelle Hilfe holen. Ich würde gerne, aber kann nicht.“ Das ist okay und völlig normal.
Gibt es einen typischen Krankheitsverlauf? 42:50
Nein, gibt keinen typischen Ablauf. Bei manchen Menschen und Phasen sind 8 Sitzungen beim Therapeuten ausreichend, bei anderen geht das über Monate oder Jahre. Es gibt Menschen die sind abends depressiv, andere sind es tagsüber etc. Da gibt es kein „typisch“.
Ist eine Winterdepression eine Krankheit? 44:02
Trübes Wetter, dunkle Tage und Regen heitern nicht auf. Wenn die Stimmung gedrückt ist, dann ist das nicht automatisch eine Depression, aber kann eine Depression befördern. Da hilft es dann, wenn man sich was Gutes tut. (Tipp von Fionn: gerade im Winter Vitamin D3 supplementieren, weil das fehlt im Körper bei zu wenig Sonne). Lampen die Tageslicht ausstrahlen, helfen beim Wohlbefinden.
Wie kommt es zu Suizid? Sind Depressionen fest mit Suizid verknüpft? 46:35
Sehr sehr viele Suizide, ich meine mich zu erinnern an rund 50%, sind mit einer psychischen Vorerkrankung verknüpft. Es gibt aber auch Suizide auf Grund einer unheilbaren Krankheit, bei der große und unschöne Schmerzen oder ein grausiger Verlauf bevor steht und die Menschen sich das ersparen möchten.
Nicht jeder Mensch, der eine Depression hat, ist suizidal. Und nochmal: Depressionen sind heilbar.
Kann man Suizide erahnen, voraussehen? 48:10
In 8 von 10 Fällen äußern sich Menschen, die einen Suizid begingen, sich vorher, zumindest in einem Nebensatz, äußern. Das wird dann oft abgetan mit: „Ach, das tut der Mensch sowieso nicht.“, „Ach, das wird schon.“ Das ist falsch. Das ist fatal. Da die meisten Menschen eben ihren Suizid ankündigen und daher kann man mit Gesprächen sehr oft einen Suizid verhindern.
Schlaue Sprüche wie: „Du kannst Dich nicht suizidieren, weil Du hast doch Kinder und einen Job“ gehen gar nicht, weil man das ernst nehmen muss. Keiner sagt das einfach so und wenn jemand sich schon offenbart, dann wird das einen Grund haben. Dann muss man darüber sprechen. Auch wenn das komisch erscheinen mag. Für die Betroffenen ist das oft eine Erleichterung, wenn man drüber spricht.
Es gibt körperliche Symptome, wenn jemand gar nicht mehr auf seine Kinder reagiert, wenn jemand alles schleifen lässt etc. Das ist Anlass zum Nachhaken. Wenn jemand die innere Einstellung hat: es wird nie mehr werden, dann wird es ernst. Nicht einfach wegwischen mit dem Argument: Ach, der hat ja nur Stress.
Urplötzlich geht es einem besser – gutes oder schlechtes Zeichen? 51:30
Das muss kein schlechtes Zeichen sein, aber kann auch daher rühren, dass die Person erleichtert ist, weil sie nun entschieden hat, sich das Leben nehmen zu wollen und endlich die Last des Lebens in greifbare Nähe einer Erlösung gekommen ist. Da muss man aufpassen.
Man kann nicht jede Suizid verhindern. Das ist wichtig zu wissen. Man kann aufmerksam sein, aber man sollte sich im Nachhinein keine Vorwürfe machen. Man kann es eben nicht immer verhinder.
Wie kann die Gesellschaft darauf hinwirken, dass es weniger Depressionen und Suizide gibt? 53:02
Über die Krankheit und Suizide aufklären. Sodass es keine unbekannten Phänomene mehr sind. Dass die Menschen die Symptome erkennen, wissen was eine Depression ist und dass es eine Krankheit ist und dass man professionelle Hilfe holen muss. Und dass man sich nicht schämen muss und dass darüber sprechen helfen kann.
Wir, als Verein, machen das über Facebook, Instagram, YouTube oder unsere Webseite und Flyer etc. Mit Promis die über ihre Geschichte erzählen. Mit Profis (Ärzten, Psychotherapeuten etc) die Aufklärung betreiben. Wir machen vor Ort Besuche in Schulen u.a.
Dass man im Büro, Arbeitskollegen, Schule und Freundes- und Verwandtenkreis miteinander spricht. Ja, das kann übergriffig wirken, aber wer nicht will, der wird das ja sagen. Man sollte sich trauen, ein Gespräch anzufangen und zu fragen, wie es einem geht.
Es ist wichtig, dass wir offen und aufmerksam miteinander umgehen.
Diana, Danke für das Gespräch. Bei weiteren Fragen: Schreibt uns: fionn@achdeswegen.de
Das Gespräch wurde 10. Januar 2020 aufgenommen.